Gesucht: Online-Redakteur, gewollt: Mediendesign-Informatiker-Wissenschafts-Journalist-Content-Manager-IT-Administrator

Wo stellt man eigentlich einen offiziellen Antrag auf Änderung einer Sprachregelung?

Wer das weiss, bitte melden. Ich habe da ein dringendes Anliegen: die komplette Neudefinition des Begriffs Redakteur, insbesondere bei dessen Kombination mit „Web“, „Internet“, „Social Media“ und „Online“. Denn mit der klassischen Definition des Redakteurs als „Mitarbeiter in Presse, Hörfunk, Fernsehen, Internet oder anderen Medien, der innerhalb der Redaktion redaktionelle Aufgaben übernimmt, … einen Journalisten, der Texte redigiert oder auch selbst schreibt“, kann ja wohl nur die Vergangenheit der Medien gemeint sein.

In der digitalen, vernetzten Gegenwart sieht man Redakteure nicht mehr schreibend und redigierend sondern schraubend und disponierend; der Redakteur liefert nicht mehr Textzeilen sondern Programmzeilen;, er gestaltet nicht mehr das Programm seines Formats oder seiner Publikation sondern formatiert und publiziert seine Programmierleistungen; er nutzt Schreibwerkzeuge nicht zum schreiben sondern pflegt und erweitert Content Management Systeme, über deren Spezifikationen er mit Dienstleistern verhandelt; er administriert nicht mehr freie Autoren sondern er administriert die Informationstechnologie, also Computer, Netzwerk und Server. Das alles (und vermutlich noch viel mehr) muss die Neudefinition des Begriffs Redakteur enthalten, so werde ich das beantragen. Als Anlage füge ich die folgende Stellenanzeige bei (vom 14.8.2012):

Als Kronzeuge einer etwaigen Verhandlung mit der – von mir vermuteten – „Enquete-Kommission für Sprachwandel und anglisierte Gesellschaft“ lade ich dann die für obige Ausschreibung verantwortliche Personalabteilung vor. Denn so oft ich diese Stellenbeschreibung auch lese, mir fehlen einfach die Worte, um mir für dieses, sagen wir mal „vielseitige“ Stellenprofil, eine einzelne Person vorzustellen, das kann ich nicht hinreichend erläutern. Das sollen die mal machen.

Befänden wir uns noch in der Ära analoger Medien, sagen wir in den frühen 80ern, dann suchte diese Personalbteilung vermutlich einen „Redakteur für besondere Aufgaben“. Der müsste dann sämtliche Rotationsmaschinen der hauseigenen Druckerei bedienen, warten und reparieren, den Einkauf von Ersatzteilen, Papier und Druckfarben managen, die gesamte Verteilung aller Memos, Hausmitteilungen und  Informationen regeln und steuern, sowie den kompletten Bestand an Schreibmaschinen, Bürokopierern und Faxgeräten betriebsfähig halten – naja, „nur“ in Vertretung. Ach ja, und eigenständig Beiträge für die Publikationen der wissenschaftlich ausgerichteten Organisation müsste er auch schreiben – schliesslich ist er ja Redakteur und kennt die Wissenschaftslandschaft bestens, da schreiben sich verständliche Artikel zu komplexen Wissenschafts- und Forschungsthemen doch nebenbei.

Zurück ins Hier der Online-Medien und ins Jetzt der sozialen Echtzeit-Kommunikation. Basiskompetenzen wie die Beherrschung von Typo 3, Java und Ajax sind den digital Natives quasi in die Schultüte gelegt, weshalb sie die Kombination mit Textredaktionsarbeit, Pflege von Content Management Systemen, Design des Webauftritts, Verhandlung mit Dienstleistern und die komplette IT-Administration selbstredend spielend beherrschen und als „attraktive und herausfordernde Tätigkeit“ betrachten. Schließlich ist es, tata!, KEIN PRAKTIKUM, sondern eine echte Stelle, bezahlt nach TVöD-Tarif und auf geradezu ewig anmutende zwei Jahre angelegt. Grandios. Angesichts solch rosiger Aussichten kann ich verstehen, dass heutzutage so viele „irgendwas mit Redakteur“ machen wollen.

Daher soll mein Antrag auf Neuregelung des Begriffs „Redakteur“ auch beinhalten, ihn durch entsprechende Kommunikationsmaßnahmen imagemässig aufzuwerten. Sind doch die Redakteure von heute echte Tausendsassas, vielseitig, solide, flexibel, universell, code-sicher. Wie seit Jahrhunderten die „Handwerker“, mit ihren „goldenen Böden“; oder die Bauarbeiter, wo die Schlauen hingehen („Sei schlau, geh‘ zum Bau“); oder diese neunmalklugen „Ingeniöre“, denen nichts zu schwör ist. Um einen ähnlichen markigen Spruch für ein ähnlich attraktives Außenbild zu kreieren, schlage ich die Nutzung des Schweizer Terms „Redaktor“ vor, der klingt doch gleich bodenständiger. Und die Losung erst:

„Der entscheidende Faktor: ein Online-Redaktor“

Yes!

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